Meerforellenbesatz

Positionspapier VEFPU: Meerforellenbesatz

In Schleswig-Holstein gab es früher viele Bäche mit einem sich natürlich reproduzierenden Meerforellenbestand. Heutzutage ist dieses in den meisten Bächen nicht mehr gegeben. In vielen Bächen ist die Meerforelle gar nicht mehr vorhanden oder der Bestand ist stark zurückgegangen. In einer Literaturstudie ist für Schleswig-Holstein die Meerforellenverbreitung
in Fließgewässern zu Zeiten vor der landwirtschaflichen Industrialisierung dokumentiert worden. Im Ergebnis lassen sich Meerforellen in fast allen bekannten kleineren und Kleinstgewässern nachweisen. Viele dieser Bäche sind heute nicht mehr vorhanden, komplett verrohrt oder ihres Wassereinzugsgebietes beraubt und somit nur zu Regenzeiten wasserführend.
Entsprechend nahe liegt es, Meerforellenbestände in den noch existierenden Fließgewässern wiederherzustellen oder zu stabilisieren. Voraussetzung dafür ist immer, dass der entsprechende Bach für Meerforellen erreichbar und als Habitat für die juvenile Phase geeignet ist. Es müssen kiesige Bereiche zum Ablaichen und zur Laichentwicklung vorhanden sein. Vom Schlupf bis zur Wanderung in die Ostsee muss der Lebensraum Bach strukturreich sein. Kolk-Furt Folgen, Beschattung durch Bäume und Unterstände wie Erlenwurzeln sind hier zu nennen. Nicht zuletzt darf der Bach im Sommer nicht trockenfallen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine Wiederansiedlung der Meerforelle sinnvoll.
Dabei gibt es mehrere praktizierte Möglichkeiten, dieses zu tun. Ziel dabei muss es sein, möglichst wenig in die natürliche Entwicklung der Meerforellen einzugreifen. Dieses dauert unter Umständen in der Anfangsphase länger, hat aber am ehesten einen naturnahen, an den spezifischen Bach angepassten Meerforellenstamm als Ergebnis.
Bei einer Neuansiedlung ist als erstes festzulegen, aus welcher Population der neue Bestand aufgebaut werden soll. Diese Auswahl ist auf Grund der hohen genetischen Diversität der Meerforelle sehr wichtig und muss genau überlegt werden. Dabei sollte immer ein ähnliches Gewässer in der Nähe als Genpool genutzt werden, um einen möglichst an den Zielbach angepassten Meerforellenstamm aufzubauen.

Ausbrüten des Laichs

Ist ein Neubesatz geplant und Laichmaterial vorhanden, gibt es mehrere Möglichkeiten den Laich auszubrüten:
Bruthaus
Die befruchteten Eier werden in ein Bruthaus verbracht und dort regelmäßig bis zum Schlupf gepflegt. Die Schlupfraten sind hoch, allerdings hat in dieser Phase keine an das Gewässer angepasste Selektion stattgefunden. Zudem entstehen durchaus signifikante Kosten
Scottyboxen
Die befruchteten Eier werden in Scottyboxen eingebracht. Scottyboxen imitieren das Kiesgefüge eines Baches und werden an potentiellen Laichhabitaten im Bach platziert. Es erfolgt keine Brutpflege durch den Menschen, die Eier werden durch das Bachwasser umspült
und mit Sauerstoff versorgt. Ein gewisser Schwund ist durch Laichräuber gegeben. Die geschlüpften Fischlarven bewegen sich sofort in das Kiesgefüge des Baches und beginnen ihren natürlichen Lebensablauf.
Laichausbringung in Laichbiotope
Die natürlichste Möglichkeit ist es, den befruchteten Laich direkt in das Kiesgefüge des Zielbaches an dafür geeigneten Stellen einzubringen. Damit wird der Laichvorgang simuliert. Es muss also ein sehr geschulter Blick für natürliche Laichplätze vorhanden sein, um hier erfolgreich zu sein. Dieses Verfahren ist das naturnaheste, es gibt allerdings relativ wenig Erfahrungen zu diesem Vorgehen. Eine Ausbringung des Laichs muss zeitnah zur Befruchtung erfolgen.

Besatz des Baches

Ist ein Bruthaus genutzt worden, gibt es 2 grundsätzliche Möglichkeiten der Besatzes in den Bach nach dem Schlupf:
Zucht in Aufzuchtanlagen
Die geschlüpften Fische werden in Zuchtbecken verbracht und über bis zu 2 Jahren aufgezogen, um sie dann in den Zielbach einzubringen. Je später der Besatz erfolgt, desto weniger angepasst sind die Fische an den Zielbach und desto weniger natürliches Verhalten haben sie sich angeeignet. Dieses hat eine hohe Mortalitätsrate nach Besatz zur Folge. Im Vergleich zu wild aufgewachsenen gleichaltrigen Meerforellen steigt die Mortalitätsrate um ein Vielfaches.
Grundsätzlich läst sich folgende Regel formulieren: Je früher der Besatz im Zielbach erfolgt, desto größer ist die Anpassung der Fische an den Zielbach.
Parrbesatz direkt nach dem Schlupf
Die Fische werden direkt nach dem Verzerr des Dottersacks als Parr in das Zielgewässer eingebracht. Es wird durch Selektion über den weiteren  Lebenszyclus ein autochthoner Bestand aufgebaut. Die Fische sind gut an das Zielgewässer angepasst und bilden nach ihrer Rückkehr
ein solides Fundament für den weiteren Bestandsaufbau.

Empfehlung des VEFPU

Solange ein Meerforellenbestand in einem Gewässer vorhanden ist, sollte ausschließlich dieser Grundlage für den weiteren Bestandsaufbau sein. Die beste Methode einen Meerforellenbestand aufzubauen, ist es, die Gewässerstruktur zu verbessern. Zu allererst muss dabei die longitudinale Durchgängigkeit durch Abbau aller künstlichen Hindernisse insbesondere Wehre erreicht werden. Dann ist es wichtig einen vielstrukturierten natürlichen Bachverlauf herzustellen. Hier sind oftmals einfache Maßnahmen wie das Einbringen von Findlingen und Kies sowie Beschattung durch Baumpflanzungen sinnvoll. In einem guten naturnahen Zustand wird der potentielle Lebensraum für Meerforellen vergrößert. Der Meerforellenbestand wird ohne weiteres menschliches Zutun anwachsen und an Stabilität gewinnen.
Parallel kann dieser Bestandsaufbau durch die Laichentnahme und Befruchtung unterstützt werden. Hierbei sollten möglichst nur Scotty Boxen zum Einsatz kommen und keine Aufzucht in Bruthäusern erfolgen. Diese unterstützende Maßnahme sollte nur durchgeführt werden, wenn die Bestandsgröße kritisch ist oder die Renaturierungsmaßnahmen einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.

Eine Aufzucht der Meerforellen bis zum Smolt Stadium sollte grundsätzlich nicht durchgeführt werden. In kritischen Bestandssituationen kann ein Ausbrüten des Fischlaichs mit anschließendem Parr Besatz sinnvoll sein, sollte aber zeitlich eng begrenzt werden.